Flexibilität ist Abwesenheit von Stabilität. Es ist möglich, sich in jede Lebenslage, jede zwischenmenschliche Beziehung, jedes Gespräch, jede Kultur einzufügen. Aber das setzt voraus, dass man bereit ist, sich dem anderen in gewisser Weise anzupassen, seine innere Logik zu verstehen, seine Vergangenheit, Gegenwart, Hoffnung und Ängste.
Was derlei mit einem selbst tut, ist hingegen nicht allgemein voraussehbar. Empfindet man es als Verbiegen oder als Entdecken eines weiteren Aspekts an sich selbst? Und gibt es ein Warnsignal, wenn man zu weit geht?
Ein guter Indikator sind Fehler, die man macht, wenn es knirscht im Gebälk, wenn Dinge schieflaufen und es dafür keine direkt nachvollziehbaren Gründe gibt. Dann sollte man prüfen, ob man am richtigen Ort ist, insbesondere, ob man bei sich selbst ist.
Es sind manchmal die kleinen Nuancen, die bemerkbar machen, wie fundamental sich Dinge geändert haben, noch interessanter gar, wenn man den Vorherzustand selbst aufgrund zu geringer Verweildauer auf Gottes grüner Erde nur vom Hörensagen her zugetragen bekommen hat. Bemerkt man nun, bei den allgemeinen Säuen die durch das deutsche Mediendorf getrieben werden, die einfache Tatsache, dass Mutti Merkel scheinbar bei jedem zumindest wichtigen Spiel der deutschen Nationalmannschaft mit dabei war, so ist das aufgrund mangelnder Gedächtnisleistung oder Beobachtungsgabe mittlerweile eine Art Normalzustand. Bussi für Schweini, schäkern mit Lahm, und so weiter und so fort. Gab es das früher auch? Natürlich, will man ganz provokant sein so bemerkt man, dass Hitler ja die zentrale Figur der olympischen Spiele 1936 gewesen war. Aber Adenauer beispielsweise war sogar dieses nationalduselige Wunder von Bern, Anlass zum Abgesang des schönen "Deutschland über Alles", ziemlich schnurzpiepegal gewesen. Ist es dann nur eine persönliche Sache von Merkel? Ich glaube wohl eher kaum. Es geht hierbei darum, sie von ihrer nicht verwaltungsmäßig-drögen Art darzustellen, ein menschliches Gesicht, "eine von uns". Ein schauerlicher Gedanke, eigentlich, denn er besagt, dass jemand der nicht so ist "wie wir" keine Berechtigung hat, uns zu regieren. Politiker werden von ihren PR-Abteilungen durch Bierzelte, Fußballstadien und Messen gezerrt, nur um den Eindruck der so genannten "Volksnähe" zu erwecken. Aber will man das denn? Die Nähe eines Politikers? Dass der Machthaber so ist wie man selbst? Ehrlich gesagt schaudert mich dieser Gedanke immer mehr. Es sollte doch eigentlich egal sein, was diese Leute in ihrer Freizeit machen, ob und welche sexuellen Begierden sie haben, so lange sie ihren Job einigermaßen machen. Warum aber brauch es all die Kampagnen, all das PR-Gedöns? Weil Alles verkauft werden muss, ein Politiker ist kein Mensch, sondern ein Produkt, das genau wie das I-Phone, der Sportwagen oder die Taschenvagina an den Mann und die Frau gebracht werden müssen. Ehrlich gesagt: Ich persönlich bin nicht interessiert. Im 19. Jahrhundert ist ein französischer Präsident beim Ficken im Puff gestorben. Meine Meinung: Mir egal, solang er vorher seinen Job einigermaßen gemacht hat.
Angst
Ganz offensichtlich besteht nach einem Ereignis wie dem Anschlag in Paris das Bedürfnis, die Welt neu zu betrachten: Könnte ich der Nächste sein? Wie kann ich mich schützen? Wer steckt dahinter? Würden diese Leute es wieder tun?
Ein guter Haufen Leute hat momentan die Hosen gestrichen voll, die lauten Solidaritätsbekundungen sind vielmehr ein Zeugnis hierfür als ein Gegenbeweis. Wir sind diesmal scheinbar an einer empfindlichen Stelle getroffen worden, denn Karikaturisten werfen ja letztlich keine Bomben im Irak. Eine Meinung zu haben und ausdrücken zu dürfen ist ein hohes gut, tatsächlich. Aber wie sollte man von diesem Gut Gebrauch machen? Ist es nicht paradox, die Erwartung zu haben, dass man seine Meinung - in welcher Form auch immer - kundtun darf und darauf keine Konsequenz folgt? Wer es wirklich ernst meint und kein Miesepeter und Dauernörgler ist, sollte darauf bestehen, dass eine Meinungsäußerung eine Folge hat. Wer sich vor diesen Folgen fürchtet, ist schon ziemlich bescheuert und eigentlich auch feige. Wer seinen Mund öffnet, riskiert damit etwas. Punkt. Das besondere an den Charlie Hebdo Zeichnern war, dass sie sich dieser Gefahr bewusst waren und dennoch keine Polizeiüberwachung angefordert oder ihre Linie geändert haben. Sie haben sich auf ein Spiel eingelassen, in dem sie sämtliche möglichen Folgen ihrer Taten absehen konnten. Leider ist die schlimmstmögliche eingetreten. In Frankreich selbst sind glücklicherweise besonnene Stimmen in der Mehrzahl, die jetzt mehr soziale Inklusion fordern - man weiß genau, dass es auch um die fehlende Chancengleichheit geht, die Menschen radikal und kriminell werden lässt. Wer aber letztlich politisch davon profitiert, weiß man noch nicht. Das furchtbarste wäre es aber, wenn ein Klima der Angst wieder unsere Gesellschaft übermannt und sämtliche Mittel, die gegen erdachte und reelle Bedrohungen eingesetzt werden können, denkbar macht. Mir persönlich ist die Freiheit lieber. Mich nervt es endlos, am Flughafen ewig kontrolliert zu werden, obwohl diese Kontrollen nachweislich nicht funktionieren. Wenn ich in ein Flugzeug einsteige, in dem ein Entführer sitzt - Berufsrisiko. Wirklich. Man kann nicht ständig alles fordern und meinen, dass man sich dabei nicht in Gefahr begibt. Das ist die selbe Scheißdenke, die Menschen glauben lässt, dass sie 10 % Zinsen sicher kriegen. Es sind deswegen so hohe Zinsen WEIL DAS RISIKO HÖHER IST! Man kann verlieren. Vielleicht sollten einige daher erst einmal ehrlich zu sich selbst sein und sich fragen: Was ist mir die Meinungsfreiheit wert? Die Demokratie? Reisefreiheit? Und vieles mehr. Dass es das alles nicht umsonst gibt, weiß man auch ohne diesen bescheuerten Satz von wegen Freedom sei nicht free.
Vorsätze fürs neue Jahr sind ja grundsätzlich eine gute Idee. Die Tatsache, dass sie so gut wie niemand einhalten kann, liegt auch daran, dass viele Menschen die Idee haben, ihr Leben könne sich
vom einen Tag auf den anderen ändern so wie die Jahresziffer, man könne sich selbst verleugnen und neu anfangen. Ein verführerischer Gedanke, als jemand anderes aufzuwachen, ein neues Leben zu
führen. Aber es gibt tiefergehende Gründe, warum das eigene Leben so ist, wie es ist, was nichts mit irgendwelchen Äußerlichkeiten zu tun hätte. Das Leben ist die Summe aller Entscheidungen, die
man getroffen hat und man kann die meisten nicht revidieren, man muss zu ihnen stehen, weil man sonst kein eigenes Leben hat. Man muss ja auch zu den Dingen sagen, die schon existieren, zum Leben
und zu den Dingen, die unter Umständen auch noch verschüttet herumliegen. Man muss nur zu sehen lernen.
Es fällt schon schwer, in der ganzen Aufregung, die selbst da ist, wenn nichts geschieht, ein Gespür für die eigene Existenz hinzubekommen. Sich selbst von außen zu definieren ist keine so schlechte Sache, wie man meint, denn man bringt ja auch nur reiche Frucht, wenn man ein guter Weinstock ist. Möchte man meinen.
Außer der Widerwille gegen All das steigt an, es wird zu viel. Und dann geschieht es so oft, dass die Ursache dieses Widerwillens falsch erkannt wird, denn er entzündet sich natürlich als erstes am Mitmenschen. Stalin sagte einmal: Ein Mensch, ein Problem, kein Mensch, kein Problem.
Trotz der Tatsache, dass er im Geiste dieses schönen Satzes Millionen von Menschen in den Tod geschickt hatte, stimmt der Satz genau betrachtet doch: Wäre der Mensch "Ich" nicht, gäbe es kein Problem, denn dann gäbe es ja niemanden, der sich über Alles aufregen könnte.
Insofern rate ich erst einmal: Wer sich über die Welt, die Mitmenschen und den alltäglichen Scheißdreck aufregt, sollte vielleicht erst einmal bei sich selbst anfangen. Ich sage das jetzt nicht im Sinne dieses Splitter-Balken Satzes von dem Typen, der am Kreuz wesentlich kürzer herumhing als seine ganzen Kollegen, sondern in einer wesentlich egoistischeren Manier: Man muss auf sich selbst aufpassen, nicht, weil man damit den Anderen einen Gefallen tut, sondern, weil man sich damit selbst einen Gefallen tut.
Und dazu muss man sich erst einmal selbst spüren können. Ich weiß, es gibt tausende Methoden dazu, aber eigentlich reicht es schon, erst einmal seinen Puls nachzufühlen und zwar nicht wegen Bluthochdruck oder so etwas, sondern, um wirklich zu verstehen, dass man am Leben ist. Einfach so.
Und dann ist schon vieles einfacher.
Ankommen ist beinahe schwieriger als losreisen. Ich brauche einen Rucksack, ein Ticket und weg bin ich. Ankommen erfordert Einrichtung, man muss zuerst seine Umbegung und dann sich selbst gestalten. Mit Wohnungen ist man genauso nie fertig wie es der Kölner Dom ist. Es gibt keinen wirklichen Abschluss. Eine Reise geht Knall auf Fall. Ankommen geht schrittweise, langsam. Es erfordert Konzentration, Besinnung, Anstrengung. Den Puls herunterfahren lassen, der so lange auf 180 gelaufen war. Auch Anstrengung kann Routine sein, dann ist Erholung nicht einfach.
Langsam verschiebt sich der Modus. Langsam springen die ruhigen Quellen. Langsam, langsam.
Der Affe, der nichts sieht, der Affe, der nichts hört und der Affe, der nichts spricht.
Manchmal wäre ich gerne eine Kombination aus allen dreien, würde gerne das Leiden nicht sehen, das Stöhnen nicht hören und vor allem, ich will zu alledem nichts sagen müssen, keine Meinung haben.
Ich weiß, dass all dies existiert, Schmerzen, Tod, Krankheit. Und doch, manchmal wüsste ich es gerne nicht; die Neugier, mit der ich einst in die Welt hinausgezogen bin (und so lange ist das noch gar nicht her) ist zu Teilen einer Enttäuschung gewichen, denn ich wollte verstehen, begreifen, all die Wunder erleben. Dann zu erkennen, dass hinter beinahe allem primitivste Gründe stecken, tut weh, tut furchtbar weh.
Manchmal wünschte man sich, Dinge, die man weiß, wieder zu löschen, Erinnerungen auszumerzen, Verbindungen im Kopf zu kappen wie eine Leitung, die mit einer Stromquelle verbindet. Dann hat man zwar keine Kraft mehr, aber genausowenig Schmerzen.
Das hehre Ziel, ein gebildeter, ein guter Mensch zu sein, das uns in der Schule vorgezeigt wurde, es ist unerreichbar. Erstens können wir unmöglich alles wissen und verstehen, zweitens wollen wir das auch nicht, weil wir lieber die Augen verschließen.
Was bleibt als Option? Einerseits vollkommene Spezialisierung auf ein Gebiet, in dem man sich wirklich auskennt, andererseits rein oberflächliches Generalistenwissen, das man per google leicht zusammensammeln kann.
Die Zeitungen sterben vor allem deswegen aus, weil mittlerweile Alle Journalisten geworden sind; das ist aber kaum als Kompliment anzusehen. Es gibt kaum noch Standpunkte, feste Gedankengebäude, es gibt nur noch Themen, auf die man standardmäßig reagieren muss, der eine oder andere provoziert dabei mehr, der andere weniger, aber sprechen Sie beispielsweise das Thema Nahostkonflikt einmal an und hören Sie genau zu: Sie werden keine überraschenden Meinungen oder Argumente mehr finden, nur noch Stümpfe von Argumentationen versetzt mit einen dünnen Faktenbrei.
Manchmal denke ich mir dabei schon, dass es wohl besser wäre, sich der Diskussion komplett zu entziehen, es gibt ja genügend andere, die eine Meinung dazu haben.
Manche Meinungen sind erfreulich kurz und unergiebig (".... finde ich ja schon schlimm") und haben wie die meisten anderen keine Konsequenz auf das reale Leben. Man hofft auf Vater Staat, Lotto oder gar nicht mehr.
Selbst gestalten und ändern braucht man ja nicht mehr, wenn man einen Angestelltenjob und sein Häuschen hat.
Ich würde tatsächlich gerne etwas tun, aufgrund dessen, was ich sehe, höre und sage. Aber das Gefühl der Ohnmacht ist überwältigend. Bekommt man im Leben seinen Moment, seine Chance? Oder muss man sich diesen Moment erarbeiten?
Nach Plato haben wir einstmals Alles gewusst und lernen heißt nur, sich erinnern. Ich habe Dinge getan, habe gefühlt, aber ich habe mich nicht erinnert. Jahre meines Lebens, hinfortgewischt in einem Zug, durchrast, abgehakt, weggesperrt.
Wie lange kann man fliehen? Kann man alle Brücke abbrennen, jeden Tag neu geboren werden? Wozu machen wir Fotos, schreiben uns Dinge auf? Was sollte aufbewahrt werden?
Ich suche die Kontinuität. Ich sehe mein bisschen Leben, die paar Kämpfe, das Zappeln und Winseln. Was davon bin ich heute noch, was ist gestorben, was durfte überleben?
Und dann: Was wird bleiben?
Das sind dumme Fragen, weil sie nicht beantwortet werden können. Eine solche Frage ist eine Frechheit. Sie verbiete sich von selbst, üblicherweise, da sie nicht in den Alltag passen. Wenn ich meinen Schreibkram erledige, was interessiert mich dann, was vor zwei Jahren war? Wir ertränken uns selbst in unserer Umgebung und werden schizophren, tun, was von uns in gewissen Situationen verlangt wird, wollen Menschen gefallen, die mit uns nichts zu tun haben sollten.
Ich habe das zu lange getan. Und einfach weglaufen bringt auch nicht immer etwas.
Einen äußeren Ausdruck für das finden, was innendrin los ist. Einen geeigneten.
Isolation ist eines der Dinge, die immer da waren. Nirgendwo findet man Isolation so wie in der Fremde, wenn niemand versteht oder verstehen will. Wenn der eigene Ausdruck nicht den Punkt erreicht, den man haben will. Nicht sprechen können ist die höchste Form. Hören, aber nicht verstehen.
Was mich trieb, war die Sehnsucht nach der Stille, nach Ruhe, nach Geborgenheit in mir selbst. Schlaf, Erholung, Untergehen in der Weite und Größe von Allem.
Aber nicht in diesem spiritistischen Sinne. Ich gebe nicht irgendeinem Typen einen Haufen Geld in die Hand, damit er mir irgendeinen Quatsch erzählt und mich heilt. Ich brauche keinen Sektenführer, niemanden, der mir sagt, wo ich hinzugehen habe. Sensibel genug, um zu spüren, wo es hingehen sollte, bin ich selbst auch. Ich brauche nur weniger Verwirrung, weniger Druck, weniger Verpflichtung.
Wohin es dann geht, steht offen. Offen wie der Horizont.
Mein Großvater war ein schwieriger Mensch. Keiner von diesen Rauschebart-achduliebesKindhierhastdueinBonbon-Opas. Ein störrischer, teilweise brutaler, jähzorniger, strenger Mann, der sich am liebsten zurückzog, wenn es ihm zu laut, zu hektisch wurde.
Gestern habe ich mich irgendwann hingelegt und konnte mich nicht mehr erinnern, was ich die Stunde zuvor getan hatte. Ich war komplett nüchtern, hatte nichts abnormales getan.
Die Kämpfe der Gegenwart lassen sich besonders schlecht schlagen, wenn die Geister der Vergangenheit auferstehen, wenn Orte, Menschen und Erinnerungen, die Sicherheit, Ruhe und Gelassenheit vermitteln sollten, sich auf einmal umdrehen, zu Szenarien und Darstellern des totalen Horrors werden, der das eigene Leben ist.
Menschen, die in Extremen leben, haben das Problem, dass es in einem Bereich des Lebens grandios laufen kann, während alles andere vollkommen in Flammen steht. Für diese Art von Widerspruch scheint der menschliche Verstand und die Gefühlswelt nicht gemacht zu sein.
Kraftlos. Sprachlos. Schlaflos.
Es ist schon beschämend, wenn man sich selbst scheinbar dauernd im Weg steht auf der Suche nach dem, was einen glücklich zu machen scheint. Ich lechze nach Kontinuität, seit Monaten und selbst verweigere ich sie mir, springe herum auf Gottes grüner Erde von einem Punkt zum anderen und häufe immer Berge von Aufgaben vor mir auf, die ich nicht mehr bewältige kann außer in einem einzigen riesigen Schub. Meine Wohnung sehr ich nur sporadisch, alles ist verstaubt, verdreckt, fliegt herum; Fristen, Termine platzen, Freundschaften leiden.
So zu wirken, als sei man emotional tot, benötigt viel Kraft. Leider kann ein Großteil der Menschen nicht zwischen dem Versuch, vernünftig zu sein und emotionaler Kälte unterscheiden.
Ich hatte diese Woche die Gelegenheit, die Feier zum 9. Mai in St. Petersburg mitzuerleben. Jaja, ich weiß, das verrückte Geprotze einer Weltmacht, die keine mehr ist, ein riesiges Statement des Schwanzvergleichs, eine ideologische Verfälschung der Vergangenheit, um die eigene Rolle zu rechtfertigen. Alles richtig, mag sein.
Wie wenig die Dinge, die einem selbst als eigentümlich erscheinen, tatsächlich individuell sind, merkt man nur schwer. Alle anderen ja, ich nein. Man setzt sich ab, möchte sich von Klischees befreien, möchte sich aus den Bindungen lösen, die das Leben einengen könnten. Wie geht man aber dann damit um, wenn man eine tiefe Bindung spürt, wenn man merkt, dass ein anderer genauso tickt, dass das, was in einem selbst schwingt, den anderen genau so berührt. Plato spricht davon, dass man das Göttliche erkennt, wenn man sich selbst im Auge des Anderen wiedergespiegelt erkennt.
Eine Beobachtung, die so tief ist, fasziniert. Die Selbsterkenntnis im Anderen ist tatsächlich eine Art religiöser Erfahrung, sie kann die Verbundenheit hervorbringen, die sämtliche Egoismen unserer Zeit überwindet.
Und das bedeutet keineswegs ein Ende der Freiheit. Wer sich selbst und den Anderen in dieser Weise anerkennen kann, ist in der Lage, die Dinge, die gerne von oberflächlichen Menschen als Fehler, als Risse, Narben, Verwerfungen dargestellt werden, im Gesamtbild zu sehen, als genau so liebenswert wie das Bewundernswerte, Strahlende.
Dieser Tage hatte ich mehrere Gespräche mit Menschen, die mir so nahe und wichtig sind, dass eine Welt ohne sie schwer vorstellbar scheint. Aber das, was die Verbindung ausmacht, ist eben auch das Gefühl, dass etwas nicht stimmt, das Gefühl der Einengung. Je nach Lebenslage ist es unterschiedlich beantwortbar.
Meinem Cousin beispielsweise, der gerade Abitur gemacht hat, ist seine gesamte soziale Umgebung zu eng, er fühlt sich eingesperrt, isoliert. Ich kenne das. Vielleicht ist das auch genetisch bedingt. Die einzige Antwort, die ich ihm geben konnte war: Geh raus, renne durch die Welt, spür den Wind um deinen Kopf, genieß das Gefühl, frei sein zu können.
Wie es dann später aussehen wird, wenn man ein Nest bauen will, ist eine andere Frage. Aber eins steht fest: Wenn das Herz zu eng ist, hilft auch das Wegrennen nichts mehr.
Nervosität und Angst bestimmt das Verhalten des modernen Menschen, weil er nicht mehr weiß, wo er hingehört. Dies ist eine positive, keine normative Aussage. Von mir aus können Leute versuchen, wieder zurück zur Natur zu gehen und im Wald zu wohnen. Ich habe ja auch manchmal solche Träume gehabt. Das bedeutet aber nicht, dass ich das propagiere, genau so wenig wie ich Träume von einer untergegangenen, schöneren, alten Welt, in der man weiß, wo man hingehört, was sich gehört, wie man sich zu verhalten hat, habe. Das ist etwas für Heimatfilme und Hallodrihoschlagersänger.
Zugegeben: Ich bin etwas skeptisch Weltverbesserern gegenüber. Nicht selten, so hat man das Gefühl, handelt es sich um Menschen, die für sich persönlich Aufmerksamkeit wollen und deswegen dasjenige Problem, mit dem sie sich befassen, für alles entscheidend halten. Beispielsweise bin ich gegen Pelze, aber jemanden tätlich anzugreifen, der welche trägt, halte ich für ziemlich nazimäßig und, wenn man diese Attitüde auf Angehörige anderer Kulturen überträgt, für etwas menschenverachtend. Sollte ich Russen generell für schlechte Menschen halten, nur weil sie mehr Pelz tragen? Eher nicht.
Wunderschönes Ding bei diesen lustigen Bewerbungsformularen im Internet ist ja der vielversprechende Kasten "Was wir sonst noch über Sie wissen sollten". Diese stasimäßige Abkackvorgehensweise soll dazu führen, dass man da lustige Dinge darüber schreibt, dass man noch mehr ist als eine graue Maus, die als Rad im Getriebe gut geölt tagein tagaus dieselbe Scheiße für die Sackratten da oben (bzw. die vielgeliebten Aktiönäre, die ja so hohe Erwartungen haben, die man ja nicht enttäuschen will) abrackert.
Nein, dass es meinen Arbeitgeber in spe oder momentan interessiert, ob ich in meiner Freizeit lieber Wandern gehe oder mir stumpfe Gegenstände quer in den Arsch schiebe, muss ja bedeuten, dass ich mich mit meiner Firma genauso gut identifizieren kann wie sie mit mir, denn ich bin ja ein Mensch, etwas besonderes. Gequirlte Kacke.
Und ein besonderer Mensch muss seine Persönlichkeit auch auf eine besondere Weise entwickeln, daher gibt es schöne Seminare zur individuellen Profilbildung.So sieht eine menschliche Arbeitswelt aus.
Dass mein Hauptproblem eher nicht darin liegt, meine Persönlichkeit weiterentwickeln zu wollen, sondern dass es mir viel lieber wäre, mal zu lernen, wie man sich ordentlich die Schuhe bindet oder nicht an jedem verdammten Scheißlampenschirm oder Regal mit dem Kopf hängenzubleiben, interessiert sicher niemanden, denn so lange ich mir dabei keine massive Gehirnerschütterung zulege, ist das ja auch wurscht. In diesem Sinne: Auf die schöne neue Welt, wo ihr von freundlich lächelnden nichtssagenden Einheitsfressen bedient und versorgt werdet. Ein Profil abzureiben ist auch eine Art es umzubilden, denn kein Profil ist auch ein Profil.
Perspektiven ergeben sich nicht von selbst. Manchmal muss man von außen auf Dinge hingewiesen werden, muss es wagen, sich führen zu lassen. Das widerspricht natürlich dem Selbstbild ungemein, denn man umgibt sich gerne mit der Vorstellung, selbstbestimmt zu leben, alle Entscheidungen alleine zu treffen.
Natürlich ist das eine Illusion, oder wir suchen uns Entschuldigungen, um nicht so zu sein, wie wir wollen, gibt traumatischen Erlebnissen die Schuld, den Eltern, alten Freunden. Eine gute Möglichkeit, um unglücklich zu werden, ist es, die Vergangenheit zu idealisieren, sagt Watzlawick; genau so gut, so füge ich hinzu, ist es, die Vergangenheit komplett schlecht zu machen, denn das führt dazu, dass das gesamte Leben als nicht wert, gelebt zu werden erscheint.
Ich habe auf die zweite Weise gedacht und es hat dazu geführt, dass ich tatsächlich mein Leben als eine Aneinanderreihung von unerfüllten Träumen, zerstörten Plänen und persönlicher Isolation gesehen habe.
Doch eine dermaßen extreme Sicht stimmt nicht, es gibt und gab das Lachen, die Freude. In jedem Leben.
Ich habe festgestellt, dass es auch für diejenigen, die Begleiter waren auf dem Weg, eine Beleidigung sein muss, wenn man so denkt. Haben sie nicht viel versucht, unser Leben reicher zu machen? Können wir es ihnen antun, alles als Müll wegzuwerfen, was war, nur weil wir uns gerade nutzlos und schwach vorkommen?
Nein, das kann zumindest ich nicht. Ich fühlte mich nutzlos und schwach und wer weiß, wahrscheinlich bin ich es auch ein wenig. Aber das berechtigt mich nicht, Gift auf alles zu spritzen, was war und was ist.
Schön, wenn nach dem Geist auch noch der Körper so langsam vollkommen zu spinnen anfängt. Wie lange kann man sich so herumschleppen? Ich bin die beiden Kämpfenden und der Kampf selbst. Körper prügelt Geist prügelt Körper. Irgendwo versucht man, noch eine Art von Kontrolle aufrecht zu erhalten, aber es scheint nicht zu gehen. Auf irgendjemand anderen habe ich mich noch nie gerne verlassen, nicht unbedingt, weil ich so viele schlechte Erfahrungen gemacht habe - einige natürlich- sondern weil ich mich selbst immer so weit weg von allen anderen Menschen gesehen habe. Und ist es nicht objektiv auch so? Im Umkehrschluss braucht mich auch kaum jemand. Mag hart klingen, aber das ist das Leben, in das ich hineingekommen bin; oder mich selbst hineingebracht habe.
Bittere Pillen helfen manchmal auch nichts, oder sie machen unter Umständen manches schlimmer. Sämtliche Medikamente, bei denen man erst einen Spiegel aufbauen muss, sind eine ziemliche Qual für nervöse, leicht kontrollbedürftige Menschen, weil man nicht weiß, wann die Wirkung kommt und wann nicht. Ständige Selbstbeobachtung und die Frage nach dem Placeboeffekt führen zu einer Überbewertung jeder Unregelmäßigkeit, sei sie geistig oder körperlich. Man fühlt sich, als warte man auf etwas, aber nicht genau, was, von dem man nicht weiß, wann es wie kommt. Seltsame Situation. Gleichzeitig reflektiert man über das, was "normal" sein soll, denn eine wirkliche Unterscheidung zwischen Normalem und Krankhaften an sich selbst ist schon perspektivisch kaum zu machen.
Mehrere Gründe gibt es, warum ich mich nicht gerne an die Schulzeit erinnere, zumindest große Teile davon. Einer davon war, dass ich im Grunde immer in die Schule musste, egal wie schlecht es mir ging; eine Art preußischer Disziplin; mein Vater war in seiner gesamten Berufslaufbahn insgesamt nicht einmal drei Wochen krank gewesen und wo soll das hinführen, wenn man einfach blau macht? Ich hatte so gut wie keine Fehlstunden. Das Ganze hat sich weitergezogen, bis heute halte ich es kaum aus, einen ganzen Tag das Haus nicht zu verlassen, schleppe mich in jedem Zustand heraus und wehe, wenn ich einen Tag lang nichts tue.
Für alle diejenigen, für die der Beginn dieses Jahres ein Neuanfang war, oder die einen Neuanfang daraus machen wollen: Ich drücke euch die Daumen. Was jedoch gerne vergessen wird, ist, dass neu anfangen nicht ohne reduzieren etwas anderen funktioniert. "Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag", wie Brecht sagt, und anders herum ist das genau so. Schön und gut, wenn man sich entschließt, im Leben andere Prioritäten zu setzen, das bedeutet aber, dass man weniger Zeit mit Unwichtigem verbringen kann. Das fällt definitiv schwer, besonders, wenn dies an Personen geknüpft ist. Natürlich fühlt es sich so an, als würde man eine Beziehung wegwerfen; aber meist entwickelt sich das doch sehr organisch: Man verliert sich aus den Augen, hat weniger Gemeinsamkeiten und irgendwann vergisst man sich.
Zum Ende dieses Jahres nochmals zu einem sehr persönlichen Problem, das meiner Meinung und Erfahrung nach aber einen ganzen Haufen Leute betrifft, wenn nicht sogar so ziemlich alle; ich meine
damit das Gefühl der Überforderung, beziehungsweise, gegen sich selbst gerichtet, das Gefühl, dass man den Ansprüchen, die das Leben, das soziale Umfeld, der Staat und am allerschlimmsten, man
selbst an sich stellt, nicht genügen kann. Für mich ist das ein absolut furchtbares Gefühl; das Leben erscheint als riesige ToDo-Liste, auf der so gut wie keine Haken sind. Und dann schlimmste,
einige Haken muss man früher setzen als andere, obwohl man das Gefühl hat, dass sie gar nicht passen.
Alles sehr unkonkret, ich weiß. Man summiere einmal auf: Ein paar Stunden Schlaf, Arbeit -welche auch immer- Kochen, Essen, auf dem Laufenden bleiben, Zähneputzen, sich und seine Sachen waschen,
alle Paar Wochen zu Friseur, Arzt, Zahnarzt, Steuerberater und dann noch diese unsäglichen sozialen Kontakte. Und dann versuche einer mal, etwas vollkommen Neues in diesen Haufen zu bringen: Ein
neuer Job, eine neue Beziehung, neuer Wohnort und so weiter.
Man möchte meinen, dass dies alles delegierbar sein und auch delegiert würde, allerdings funktioniert das selten, außer bei Adeligen und Multimillionären. Die einzige Devise sollte also lauten:
loslassen. Doch wie? Ohne Job geht nichts, wer verwahrlost, hat bald keinen mehr und weniger Freunde obendrein.
Was fehlt, ist Struktur. Wer sich an das Buch "Momo" und diese absurde Gestalt des "Beppo Straßenkehrer" erinnert, kennt vielleicht das Paradigma: Kopf hoch, Schritt, Besenstrich.... Der ganze
Kram, der außenherum hängt, erdrückt selbst die leichteste Aufgabe. Wer beim Essen bereits den übernächsten Urlaub plant, der erschlägt sich selbst.
Natürlich ist das leichter gesagt als getan, insbesondere da die Medienwelt immer weitere Möglichkeiten anbietet, sich zu beschäftigen. Die Fernsehsender sind voll von Menschen, die letzten Endes
nichts tun und damit sind nicht nur fiktionale Charaktere gemeint, sondern gerade solche Leute, die sich selbst als "Promi-Experten" deklarieren. Doch das nur nebenbei, wichtig ist immer, zu
sehen, dass auch diejenigen, die wir nur in schicken Abendklamotten feiern sehen, dafür auch einen gewissen Preis zahlen, neben der nervigen Aufmerksamkeit durch unangenehme Menschen auch
normale, harte Arbeit, zumindest gilt das für diejenigen, die tatsächlich Künstler sind. Die Drogenexzesse gibt es nicht nur aus Langeweile, da bin ich mir sicher.
Was bedeutet das für das neue Jahr? Macht euch einfach nicht so große Gedanken, dass alles in eurem Leben perfekt verlaufen muss. Habt große Träume, aber keine großen Pläne. Ein wichtiger
Unterschied. Und wovor ängstigt iht euch wirklich? Ihr werdet nicht verhungern und soweit ihr Freunde habt, werden die euch auch nicht einfach davonlaufen. Wenn eine eurer Aktien abstürzt, so ihr
welche habt, kann das an den Grundfesten nichts ändern. Ladet euch nicht zu viel auf. Und wenn etwas nicht klappt, verzweifelt nicht. Wenig ist wirklich selbstverständlich, am wenigsten
Erfolg.
Und noch etwas: Macht euch nicht selbst für alles verantwortlich. Natürlich sind die Leute, die bei allem die Schuld von sich weisen, furchtbar. Aber ihr müsst nicht euch insgesamt in Frage
stellen, weil etwas nicht so richtig läuft.
In diesem Sinne: Ein gelassenes und frohes neues Jahr.
Warum es mich ausgerechnet drängt, über einen Menschen wie Kim-Jong-Il zu schreiben, weiß ich nicht genau, es liegt wahrscheinlich an einer gewissen zynischen Ader, die ich selbst gerne
überdecke, oder daran, dass das Lächerliche mich noch mehr reizt, wenn es mit dem Dämonischen so nahe verbunden ist. Denn, seien wir ehrlich, wer konnte diesen Mann auf dem weißen Pferd ernst
nehmen? Seine bödsinnigen Filme, seine Inszenierungen, seinen Militarismus? Eins ganzes Leben, nur gebunden an die Suche danach, ernstgenommen zu werden. Und das in Kategorien, die er selbst
vorgefunden hat, die er sich nicht ausgesucht hat.
So schlimm es auch scheinen mag, so groß das Leiden auch ist, das aufgrund des Lebens dieses Mannes geschah, ich empfinde tiefes, tiefes Mitleid wenn ich an ihn denke. Ein schwächlicher Junge,
aufgewachsen in einer Traumwelt, wird dazu gezwungen, seine Träume einem Staats- und Parteiwesen unterzuordnen, in das er hineingezwungen wurde. Absurde Militäruniformen als Staffage eines
Theaterstücks, in dem der Hauptsdarsteller weit weniger Treiber als Getriebener war, in einem System, das keiner so wirklich wollte, aber zu dem niemand eine Alternative finden konnte. Die
Atombombe? Ein Schrei eines Spätspätpubertierenden nach Beachtung, ein Heraustreten aus dem Schatten eines Vaters, an den er nicht heranreichen konnte, aber ein Heraustreten in den ewig gleichen
Formen, da er keine anderen gelernt hat. In einer Welt, in der "Weisheit", "Liebenswürdigkeit", "Freundlichkeit" dem Führer sowieso schon angehängt werden, wie soll er dann wissen, dass dies
nicht nur leere Bezeichnungen, sondern Maximen sind?
Wir sollten uns davon verabschieden, die Welt in dem Paradigma "Glückliches Oben- unglückliches Unten" vorzustellen. Spätestens seit dem Ödipus muss man wissen, dass der Mächtige auch ein
Leidender sein kann, ja muss.
Kim, der Playboy mit der gewaltigen Pornosammlung, er hatte daran wahrscheinlich genausowenig Freude wie an Militärparaden und der Allmächtigkeit. Das ist auch eine Form von Langeweile.
Wie ich schon einmal angedacht habe: Die Freude ergibt sich vielleicht tatsächlich aus der Möglichkeit des Verlustes. Wer vom Abgrund zurücktritt, spürt das Leben. Wer nicht spürt, hat keine
Freude. Das ist so einfach. Aber für Viele tragisch. Frohe Weihnachtstage und denkt an das, was ihr habt. Es ist nicht selbstverständlich, nicht einmal die Luft zum Atmen.
Man stelle sich einmal vor, es hätte tatsächlich geklappt, oder klappt noch, die Menschheit erfindet irgendwelche Techniken, Roboter, oder sonstetwas, damit niemand mehr arbeiten muss, alle
könnten auf ordentlichem Niveau überleben, jeder kann dem nachgehen, was ihm passt. Ich glaube, in diesem Fall würden es nicht lange dauern, bis sich die Menschen ordentlich gegeneinander die
Schädel einschlagen würden; das taten und tun sie zwar bis jetzt auch schon, aber wahrscheinlich nicht so krass. Ich bin durchaus kein Misanthrop, aber was die Menschen noch mehr hassen als
Arbeit und Stress sind Langeweile und Zufriedenheit. Der Mathos vom Schlaraffenland ist paradox. Die Vorstellung, dass es 1. kein Privateigentum und deshalb 2. auch keine Notwendigkeit für
Ehrgeiz gibt kann meiner Meinung nach kaum jemand tatsächlich entwickeln, die Geschichte hat das gezeigt. Außerdem, was würde man dann noch tun? Man könnte sich endlich mit Musik, Literatur,
Philosophie beschäftigen. Genau. Aber was wäre der Inhalt der Lieder und der Bücher? Ohne Probleme auch keine Kultur, so komisch das auch klingt.
Das klingt leider sehr pessimistisch. Aber, einmal ganz ehrlich, ist es wirklich so schlimm, aufzustehen und irgendetwas mit dem Leben anzufangen, irgendetwas anzupacken? Die Welt kann nicht
perfekt werden, das verhindert die menschliche Einstellung, besser aber sicherlich.
Kann man sich wirklich vorstellen, was eine gesunde Müdigkeit wert sein kann? Menschen wirken teilweise wie Zombies, die sich mit Koffein und Beruhigungspillen selbst ständig manipulieren und das sind nur die erlaubten Dinge. Dazu kommt der allgemeine Volkssport, sich über Stress zu beklagen. Wer wirklich in der Lage ist, zu sagen, dass er seinen Tag gut durchplant, einfach nur frühs aufsteht, 8 oder mehr Stunden arbeitet, nach Hause geht, kocht, Sport macht und sich dann ins Bett legt, zwar geschafft, aber nicht nervös, wird bei der Masse an Hypochondern, die diesen Planeten bevölkern, schnell auffallen. Um das klar auszudrücken, so etwas hat nichts mit Spießigkeit oder Konservativismus zu tun. Die Legende davon, dass beispielsweise Literaten, Künstler und Philosophen nichts mehr taten oder tuen als bis in die Puppen zu schlafen, dann ein bisschen Kaffee zu trinken, lesen und dann Meisterwerke niederschreiben ist genau so falsch wie hartnäckig. Hemingway saß diszipliniert 6 Stunden am Tag am Schreibtisch, erst danach kamen die Jagd- und Saufeskapaden, die ihn auch nicht davor retteten, mit dem Leben nicht mehr klarzukommen. Selbstdisziplin heißt insbesondere Selbstwertschätzung; das sollte man nicht vergessen.
Was ist deutsch? Ordnung, Verlässlichkeit, Disziplin, Pünktlichkeit, Sauberkeit. Möchte man meinen. In den meisten deutschen Haushalten herrscht jedoch in Bezug auf diese Dinge das gleiche laissez-faire wie man das beispielsweise von Italien oder Spanien annimmt.
„Die Deutschen sind eben locker geworden" Da stellen sich die Fragen, ob das erstens stimmt- die meisten verhalten sich im Alltagsleben immer noch so als hätten sie eine ganze Eiche im Arsch- und ob das zweitens grundsätzlich eine gute Sache ist.
Erstens sieht es bei nicht wenigen Leuten aus wie im Schweinestall und da die Leute nur noch selten Teppiche haben, unter denen sie ihren gesamten Müll kehren können, liegt er einfach so herum und vergammelt. So lange von dieser Art von Saustall keine anderen Personen betroffen sind, mag das ja noch angehen, aber in vielen Fällen grenzt dies an Respektlosigkeit. Und mittendrin liegt der verfickte IKEA Katalog, der Traum vom besseren Leben. Herzlichen Glückwunsch.
Wo das tiefergehende Problem liegt, ist jedoch die Art und Weise, wie diese Art von Liederlichkeit auch in das Sozialleben übergegangen ist. Beziehungen, Gespräche, Freundschaften, alles nur so wischiwaschi und gut ist. Nicht dass ich das theatralisch-überzogene aus diesen ganzen Schnulzen für mein Privatleben wünschte. Aber es ist doch auffällig, wie sehr die Menschen auch hier diesem Ideal nachzueifern scheinen, während sie in ihrem Alltagsleben genau das gegenteilige Verhalten an den Tag legen.
12.10.
Nach einem Trip über diesen ganzen Planeten wieder einmal hier eingecheckt und was muss ich sehen? Nichts wurde verändert, alles gammelt nur so vor sich hin! Pagen, Hausmädchen, Gebäudereinigerinnen (oder wie sagt man nochmal "Putze" ohne zu beleidigen) waren den ganzen Sommer über anscheinend mit anderweitigen Dingen beschäftigt. Ein bisschen gegen Griechenland pöbeln hier, über die Grünen diskutieren da und dann stirbt am Ende Steve Jobs und das soll die Katastrophe sein? Natürlich ist die Art und Weise wie sich die Journalistenmeute jetzt an seinem Lebenswerk weidet und ihn als einen Propheten und Visionär sondergleichen darstellt hochwiderlich; beinahe genau so hochwiderlich wie Apple seine Produkte immer noch als Rebellion gegen einen wie auch immer gearteten Mainstream verscherbelt (man sehe sich einmal bei youtube den Werbespot von 1984 an, in dem Apple Produkte als Durchbruch gegen das "1984" Szenario von Orwell dargestellt wird). Wer "1984" wirklich einmal gelesen hat, der weiß, dass die absolute Diktatur dort nur funktioniert, weil es ein ewiges, herumwaberndes Feindbild gibt. Auch die Freiheit, die Apple verspricht, ist Sklaverei.
Zugegeben: Jobs war ein herausragender Redner und seine Präsentationen waren großartig, dies allerdings nur weil er sie wie einen religiösen Kult aufgezogen hat. Auch in einer scheinbar säkularisierten Welt fallen Menschen noch gerne auf derlei Quatsch hinein. Wenn es sie glücklich macht, bitte.
13.7.
Rückschritt ist nicht Stillstand, um einmal einen sowieso sehr gedankenlosen Satz der objektiv betrachtet sehr passiven Leistungsgesellschaft in umgedrehter Form zu widerlegen, wie soll denn auch Bewegung gleich Nichtbewegung sein? Rückschritt im wörtlichen Sinne, also das Zurückschreiten von dem kleinen Ding, Betrachtung des großen Ganzen aus der Geamtperspektive, nur möglich bei genauer Betrachtung und noch wichtiger, durch Nachfühlen des Erlebten ist integrativer Bestandteil eines jeden echten Forschritts.
Natürlich haben Arschgranaten in fetten Ledersesseln von Hegel wenig Ahnung- abgesehen von dieser blödsinnigen These-Antithese-Synthese Aufsummierung, die Hegel so niemals in den Mund genommen hat- sonst wüssten sie, wie dieses Jahrtausendgenie den Rückschritt tatsächlich betrachtet hat, beziehungsweise den versuchten Rückschritt, nämlich als die Voraussetzung für radikale und grundlegende Neuerung. Wer sich selbst kritisch betrachtet, kommt weiter.
10.6.
Wieder zurück nach endloser Zeit. Zurück bei Oma am Küchentisch. Wer eine Großmutter hatte oder hat, kann sich glücklich schätzen und zwar nicht nur, weil einem oft kleine Geldgeschenke zugesteckt werden (besonders, wenn man sich nicht traut, andere Leute anzupumpen), sondern auch und vor allem, weil alte Frauen eine Lebensweisheit angesammelt haben, die sie, im Gegensatz zu alten Männern, die oft verbittert und deshalb schweigsam sind, gerne weitergeben. Meine Oma hat mir beispielsweise beigebracht, wie man ordentliche Einbrenne herstellt, etwas, was mir das Internet, mehrere Kochbücher und meine eigene Erzeugerin nie beibringen konnten. Außerdem ist sie, im Gegensatz zu meinen Eltern, sehr verzeihend, was Jugendsünden angeht, obwohl sie selbst sich nach eigenen Angaben erst einmal im Leben die Lippen geschminkt und nur einmal an einer Zigarette gezogen habe, was aber in dem einen Fall dazu geführt habe, dass sie "wie eine Hure ausgeschaut", bzw. in dem anderen, "ordentlich gekotzt" habe. Wie heutzutage, gerade von der eigenen Familie, mit alten Menschen umgegangen wird, ist eine Sauerei.
11.03.
Gespräch mit einer Psychotante gehabt, die meinte, dass ich in meiner Seele forschen müsste, um herauszufinden, was bei mir nicht stimmt. Da ist sie aber mal sauber an den falschen Verrückten
geraten! "Glücklich der, der ein Symptom hat" hat Fromm gesagt.
In dieser Logik bin ich wohl glücklich. Auch wenn man natürlich beständig an sich arbeitet, insbesondere an der Soziopathie, die, einstmals vollkommene Blockade, mittlerweile vollkommen
verschwunden ist zugunsten einer halbgaren Existenz als "everybody's darling", die natürlich die Endstufe nicht sein kann, nur ein Schritt in der Entwicklung, die dann der Tod auf seine
uncharmante Weise unterbrechen wird. Oder nur fortführen, wer weiß...
Im Moment sitze ich in Unterhose herum und gehe total auf Joy Division ab; genau wie Ian Curtis bevor er verglüht ist; es ist aber nicht schlimm, zu verglühen, wenn man lange genug ein Stern
gewesen ist. Das ist ein guter Satz finde ich jetzt. Den kann man in den Tag mitnehmen.
28.2.
Im Januar habe ich mit einem Journalisten gesprochen, der Teile meiner Aussagen in einen Artikel verwurstet hat und ich muss sagen: Ich beneide diejenigen Leute, die Interviews geben und diese
danach nochmal gegenlesen dürfen. Andererseits beneide ich diejenigen Leute nicht, denen tagtäglich das Wort im Mund herumgedreht wird von einer Bande schmarotzender Widerlinge, die meinen, ihre
reißerischen Verleumdungen seien genau das, was eine geifernde Leserschaft will.
Ich kann es absolut niemandem verdenken, wenn er angesichts der momentanen Weltlage, aufgrund mancher Menschen und wegen Enttäuschungen und Verletzungen zynische Phasen hat. Das Böse existiert,
machen wir uns nichts vor, den "homme de la la nature et la verité" Rousseaus gibt es nicht. Allerdings: Zu denken, dass man die Sensationsgeilheit von Menschen bedienen müsste, von denen man
nicht weiß, ob sie überhaupt sensationsgeil sind, ist so unglaublich bösartig.
Natürlich sind auch das enttäuschte Idealisten, die einst gedacht haben, man könne gut sein und Gutes tun und alle applaudieren. Aber ist das Gute nicht so viel mehr wert, wenn man es tut, obwohl
niemand applaudiert? Zerstört nicht die Gier nach der Zustimmung anderer den Wert dessen, was man tut?
Es tut mir leid, wieder einmal bin ich total vom Thema abgekommen, um über die abstrakten Probleme zu reden, die sowieso niemand lösen kann.
Fakt ist: Wenn Journalisten weiter glauben, sie könnten die Menschen nur erreichen, wenn sie sich auf das Niveau der aus ihrer Sicht "niederen Menschen" herabbegeben, so erzeugen sie dieses Nivau
erst beziehungsweise stabilisieren es.
16.2.2011
Die Zeiten waren hart und der Schnaps billig...viel zu billig. Man kommt auf jeden Fall ins Grübeln, wenn man sein Zimmer auflöst, die Regale abbaut und die ganzen Spuren eines Lebens auffindet,
das einsmals das eigene gewesen ist.
Denn was zählt am Ende? Ich habe eineinhalb Jahre damit verbracht, eine Liste im Internet zu füllen, auf der Zahlen stehen, die meinen Wert bedeutet und jetzt rekonstruiere ich den
Arbeitsprozess, der mich dorthin geführt hat... Er war hart, er war lang, er war größer als ich ihn mir je vorgestellt hatte.
Und ist es mit dem Leben nicht genau so? Kriegt man am Ende ein Zeugniss ausgestellt, das besagt: "Ja, du warst ein guter Mensch, bis auf diese, jene und diese Sache, die du falsch gemacht hast?"
Sind die Fehler wirklich absolut falsch oder werden sie das erst im Rückblick? Hätte ich anders leben können, beziehungsweise, kann ich die Art, wie ich gelebt habe, rechtfertigen, gegenüber mir,
gegenüber anderen?
Das sind Fragen an den Wind. Bald kommt der März, das ist der letzte Monat vor dem April, in dem mir immer die scheußlichsten Dinge überhaupt passiert sind. Ist es nicht komisch, dass sämtliche
Medien dieses Aufblühen des Lebens preisen, genau zu der Zeit, wenn ich mich beinahe ausschließlich mit dem Tod beschäftige?
7.2.2011
Dieser Text ist überfällig und ganz und gar nicht überflüssig. Er setzt an zur Verteidigung eines Nahrungsmittels, das vollkommen zu Unrecht schlecht gemacht wird: Pommes frites.
Alle elitären Reformkostschnösel mögen nun lachen, aber: Die Tatsache, dass es Pommes gibt und zwar beinahe überall und zu jeder Zeit ist Produkt von mehreren zivilisatorischen Höchstleistungen,
die ich hier nur anzureißen in der Lage bin: Damit der gesamte Ruhrpott sich beinahe täglich so trefflich ernähren kann, musste Kolumbus 1492 die furchtbare Enttäuschung hinnehmen, nicht Indien
gefunden zu haben, Pizarro (nicht der Fußballspieler) musste hunderte oder tausende Menschenleben opfern, um neben den gesamten Goldvorräten der Inka auch die noch weitaus wertvollere Kratoffel
endlich nach Europa zu bringen, damit dort Friedrich der Große (man kennt die Geschichte) sie seinen Untertanen unterjubeln konnte. Hierauf musste Edison zunächst den AC, dann Tesla den DC
erfinden, um den Strom für die einmalige Erfindung der Friteuse beizuschaffen, damit endlich, im Zuge der 60er und 70er überall in Deutschland schöne Büdchen ihre Kundschaft nebst Bier und
Zigaretten auch mit Pommes beglücken konnten!
500 Jahre Zivilisationsgeschichte! Und ich soll, nach der Meinung von Leuten, die Grüne wählen und ihre Brut mit dem SUV zum Golfplatz bringen, irgendwelches Wurzelgemüse als Rohkost essen, das
die armen Ureinwohner in Südamerika oder Afrika aus dem Boden graben? Bin ich denn bescheuert?
Nein, lobpreiset die Pommes, wertvoller Energielieferant voller Geschmack, immer verfügbar, immer zuverlässig, immer da, wenn man sie braucht. Manchmal wünscht man sich, die Menschen wären so.
3.11.
Wunderschönes Ende des Jahres, das ich traditionellerweise damit begehe, einen Terminplaner zu kaufen und irgendwelche Pläne für das nächste Jahr aufzuschreiben. Das gibt das wunderbar sichere Gefühl, dass trotz des ganzen Chaos irgendeine Form von Ordnung doch noch besteht, in diesem kleinen schwarzen Büchlein, beinahe wie ein heiliger Ort. Ich schreibe natürlich mit Kuli, damit man nichts so einfach wieder löschen kann wie bei diesen Hochleistungstechniktouchscreengeräten, auf denen Anzugmenschen so gerne herumtippen, die einen Termin über den anderen schmeißen und eine Absage nach der anderen bringen.
Auch wenn ich aufgrund meiner Arbeits- Plan- und Beziehungslosigkeit so gut wie keine Termine habe: Die nehme ich wenigstens ernst. Es ist immer bescheuert, mit jemandem zusammenzutreffen, der im Grunde genommen mit dem Kopf schon an einem anderen Ort ist oder einfach direkt vorher absagt.
Elektronisch lassen sich die Buchstaben löschen.
Der Kuli bleibt oder hinterlässt unschöne blaue Riesenflecken beim Durchstreichen.
23. 10.
Das Licht ist irgendwie kaputt oder geht nur ab und zu, ich esse nur Sachen, die ich mir telefonisch bestellen kann und die Unterhosen gehen so langsam zur Neige. Unter dem Türspalt hindurch fällt ab und zu ein bisschen Licht, das Schatten wirft, wenn jemand vor der Tür steht, um sich zu beschweren, dass es so bestialisch stinkt, aber ich rieche das nicht mehr, bin ja seit Wochen verschnupft, aber was soll ich da machen, zum Arzt gehen lohnt ja eh nicht, der würde sich wohl eher meine Leber- oder Cholesterinwerte ansehen wollen. Überhaupt, wozu sollte man das Haus noch verlassen? Es ist doch alles da, was man braucht, Fernseher, Kühlschrank, Bett. Und die Badewanne, in der man mit Hilfe von viel Eis hervorragend Bier kaltstellen kann.
Die moderne Zivilisation hat das Paradies zurückgebracht. Und der Großteil der Bevölkerung lässt sich durch "Jobs", "Freizeitaktivitäten" und "soziale Beziehung" daraus verjagen. Naja, Äpfel ess ich ja sowieso nicht so gerne.
27.09.2010
Was die Leute nur wieder alle haben! Hartz-4 Debatten, kein Geld mehr für Schnaps und Zigaretten und so weitert und so fort! Wer kann sich dabei noch aufs wichtige konzentrieren: Die Zeit zwischen Aufwachen, Mittagsschlaf und Einschlafen mit sinnvoller Tätigkeit zu füllen, wie zum Beispiel stundenlang verzweifelt versuchen, den Reißverschluss an einer Jogginghose zuzuziehen, bis man merkt, dass man gar keine anhat!
Aber wer interessiert sich bitte für solche Tragik? Keiner! Alle wollen immer nur die großen Probleme lösen, die Atomkriege verhindern, Integration vorantreiben, sinnvolle Reaktionen auf die demografische Veränderung suchen und ähnliche Sachen. Wer interessiert sich denn schon wirklich dafür, was für Probleme der kleine Mann hat? Ich beispielsweise rege mich sehr oft viel mehr darüber auf, dass der Bus zu spät kommt als über Massenarbeitslosigkeit.
Bin ich jetzt ein schlechter Mensch? Ein detailverliebter Spießer?
Ich sollte den Papst, Renate Künast oder Jean-Claude van Damme befragen. Die wissen auf beinahe alles eine adäquate Antwort.
16.09.2010
Wieder zurück im anderen Hotel finde ich das gleiche Chaos vor, das ich zurückgelassen habe, die Socken schimmeln, weil Pizza drinsteckt, leere Bierdosen auf dem Nachttisch und das Bett riecht, als hätten sich mehrere Menschen gelichzeitig darin exzessiv ihren Triebesdingen gewidmet!
Was ist da los? Ich kann das sicher nicht gewesen sein, da meine liebste Verflossene durch einen gezielten Tritt in die entsprechende Körperregion alle Möglichkeiten der derartigen Aktivität mittelfristig zunichte gemacht hat.
Ein Glück für meinen Urologen, der jetzt gerade seine dritte Mittelmeerkreuzfahrt macht, dass ich privat versichert bin!
Aber so eine Behandlung habe ich noch nie erfahren müssen! eine frechheit!
naja, in der einen dose ist ja noch was drin.
mal sehn was im fernsehn läuft....
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